Gedanken zu den Schriftlesungen zum Tag
von Prior P. Jakob Deibl
Die Gedanken, die wir, die Gemeinschaft der Benediktiner von Melk, an dieser Stelle mit Ihnen teilen wollen, beziehen sich auf die biblischen Texte, die für die Liturgie des jeweiligen Tages vorgesehen sind.
Der Sonntag nach Pfingsten, dem Fest des Heiligen Geistes, wird als Dreifaltigkeitssonntag bezeichnet. Das lässt uns rückblickend ein bestimmtes Licht auf die drei großen christlichen Feste Weihnachten, Ostern und Pfingsten werfen: Es wirkt so, als sei Weihnachten vor allem das Fest, bei dem Christus im Mittelpunkt stünde, Ostern das Fest, das Gott den Vater in den Blick rücke, denn nur Gott kann von den Toten erwecken, und Pfingsten schließlich den Geist. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das eine gute Zugangsweise ist, erweckt sie doch den Eindruck, als ließe sich die Trinität auf drei Feste aufteilen, die jeweils anders konturiert sind: Sohn, Vater, Geist. Müssen wir nicht viel eher, wenn wir von Trinität reden wollen, im Auge behalten, dass es immer der eine Gott ist, der sich uns in seiner Treue zusagt, dass wir diesen einen Gott aber dreifach umschreiben, wie Hölderlin es sagt?
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Was sagen uns die Texte des heutigen zweiten Pfingsttages, wenn wir erneut vom Psalm ausgehen, der für den heutigen Tag vorgesehen ist? Heute beten wir den kürzesten Psalm des Psalters, jenes biblischen Buches, das die 150 Psalmen enthält. Er umfasst nur zwei Verse:
Lobet den Herrn, alle Völker, *
rühmt ihn, alle Nationen!
Denn mächtig waltet über uns seine Huld, *
die Treue des Herrn währt in Ewigkeit.
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Vielleicht könnte man den Grundsatz aufstellen, dass alles, was in der Bibel vorkommt, auch irgendwie in den Psalmen zu finden sein muss. Was aber würde das für das Pfingstfest bedeuten, welches wir heute als Fest der Gabe des Geistes feiern? Beginnen wir mit einem Abschnitt aus dem 104. Psalm, der für den Gottesdienst heute vorgesehen ist:
Verbirgst du dein Angesicht, sind sie verstört, /
nimmst du ihnen den Geist, so schwinden sie hin *
und kehren zurück zum Staub.
Du sendest deinen Geist aus: Sie werden erschaffen *
und du erneuerst das Angesicht der Erde.
Das Evangelium des heutigen Sonntags (Johannes 17,1-11) endet mit einem Hinweis auf den aktuellen Zeitpunkt im Kirchenjahr, die Zeit zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten: „Ich bin nicht mehr in der Welt, aber sie sind in der Welt und ich komme zu dir.“ Es ist die Zeit nach dem Abschied Jesu, die auch die Zeit des Wartens auf den Geist ist. Wo nehmen wir in dieser schutzlosen Zeit Zuflucht? Zunächst sind die Psalmen eine Zuflucht. Im 27. Psalm beten wir heute:
Höre, HERR, meine Stimme, wenn ich rufe; *
sei mir gnädig und gib mir Antwort!
Mein Herz denkt an dich: Suchet mein Angesicht! *
Dein Angesicht, HERR, will ich suchen.
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Das Fest Christi Himmelfahrt ist vielleicht das eigenartigste christliche Fest, das in den allgemeinen Kalender der christlichen Kirchen Eingang gefunden hat. Was wird denn bei diesem Fest eigentlich gefeiert? Eine Abwesenheit oder eher ein Abschied – vielleicht auch ein langsamer Übergang?
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Aus dem ersten Brief des Petrus (1 Petr 3,15–18) hören wir heute, am 6. Sonntag der Osterzeit, eine wichtige Passage, die an ihrem Beginn zwei Grundhaltungen des christlichen Glaubens zusammenfasst: „Den Herrn Christus aber heiligt in euren Herzen, seid immer bereit, zur Gegenrede (apo-logia) jedem gegenüber, der von euch ein Wort (lógos) über die Hoffnung in euch erbittet“ (1 Petr 3,15).
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Als Evangelium hören wir heute eine Perikope, die sich nur bei Johannes findet (14,1–12) und eine Fülle von Spitzensätzen enthält. Es handelt sich um einen der dichtesten Texte der Bibel. Viele Sätze daraus sind zu Zitaten geworden, die man auch aus ihrem Kontext herauslösen und zitieren kann. Dies zeigt sich schon am ersten Vers:
Euer Herz erschrecke nicht: Glaubt an Gott und glaubt an mich! (14,1)
Allerdings sollten wir den zweiten Teil des Satzes näher am Original übersetzen, hat er doch eine kunstvolle Anordnung:
Glaubt an den Gott
und an mich glaubt.
Schriftlesungen zum Fünften Sonntag der Osterzeit zum Download
Am heutigen vierten Sonntag der Osterzeit hören wir kein Osterevangelium mehr, sondern einen Teil einer Rede Jesu, den uns nur das Johannesevangelium überliefert (Joh 10,1–10). Die Bildwelt, in die uns Jesus mitnimmt, ist die der Hirten und der Schafe. Schnell tritt da der Gedanke auf, dass Christus der Hirt sei, die Glaubenden aber die Schafe. In eine ähnliche Richtung geht auch der für heute ausgewählte 23. Psalm. Gott, der Herr, ist der Hirte, die Glaubenden sind die Schafe. Doch ganz so bruchlos sind diese Bilder nicht. In beiden Texte hat eine Verschiebung statt, die zu beachten nicht unwichtig ist; eine Verschiebung freilich, welche die Bildwelt nicht ganz verlässt.
Schriftlesungen zum Vierten Sonntag der Osterzeit zum Download
In der ersten Lesung des heutigen Tages, die der Apostelgeschichte entnommen ist – genauerhin stellt sie einen Teil der Pfingstpredigt des Petrus dar (Apg 2,14.22–33) – findet sich der zentrale, das Ostergeschehen zusammenfassende Satz: „Gott aber hat ihn [Jesus] von den Wehen des Todes befreit und auferweckt; denn es war unmöglich, dass er vom Tod festgehalten wurde.“ Wir können die Sonntage der Osterzeit so lesen, dass sie allesamt Hilfen anbieten, diesem Satz, den Petrus von Christus aussagt, eine Bedeutung zu geben. Greifen wir dazu aus den heutigen Lesungstexten ein paar Splitter heraus.
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Die Osterzeit dauert, beginnend mit der Osternacht, doch ziemlich lang: Zunächst setzen mit dem Ostersonntag die acht Tage der Osteroktav ein, die ihren Tag eins, den Ostersonntag, eine Woche lang wiederkehren und nachklingen lassen. Dann folgen mehrere Wochen bis Christi Himmelfahrt, jenem Fest, das vierzig Tage nach Ostern gefeiert wird. Dies lässt die Zahl der Tage anklingen, die Jesus in der Wüste gefastet hat und die wiederum ein Echo auf die vierzig Tage der Sintflut und die vierzig Jahre der Wüstenwanderung Israels sind. Mit diesem Fest hören die Erscheinungen des Auferstandenen auf und werden dann in der Folge in eine neue Form seiner Gegenwart übergeführt.
„Dreifach umschreibe du es“ (Hölderlin): drei Annäherungen an Ostern
Für die Feier der Osternacht sind in der Liturgie so viele Lesungstexte wie an keinem anderen Festtag vorgesehen. Ich denke, es gibt drei Wege, auf denen uns diese Texte an das Geschehen der Auferweckung Jesu, das wir heute feiern, heranführen wollen.
Erstens gibt es den Weg über die Lesungen dem Alten Testament, der Hebräischen Bibel, den Heiligen Schriften Israels. Sie zeigen in immer neuen Anläufen, dass Gott der Schöpfer ist, der aus dem Tod Leben werden lässt, der aus dem Chaos Ordnung schafft, der aus der Gefangenschaft hinausführt und neue Lebensmöglichkeiten schenkt. Ich möchte das in aller Kürze an einem Beispiel deutlich machen. Eine der Lesungen ist dem Buch Baruch (3,9–15 und 3,32–4,4) entnommen. Sie preist zunächst in einer Wiederaufnahme des Schöpfungsgedichtes aus Genesis 1, das wir im Übrigen auch heute hören, Gott als den Schöpfer. Dann folgt ein Loblied auf die von Gott geschenkte Erkenntnis:
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Für die Feier der Liturgie am Ostersonntag sind mehrere Möglichkeiten der Textauswahl für die Lesungen gegeben. Die Texte in ihrer Unterschiedlichkeit führen uns in eine reiche Metaphernwelt rund um das Thema der Auferweckung ein, die viel an Gedanken anregen kann, sich aber nicht einfach unter ein gemeinsames Prinzip bringen lässt. Beginnen wir im Folgenden damit, einige dieser Metaphern aufzuzeigen und gehen danach auf zwei weitere sehr unterschiedliche Zugänge zur Auferweckung ein: den des Petrus, dem es um die Wirklichkeit der Auferstehung geht, und den des Johannes, dem es um die neue Wirklichkeit geht, welche aus der Begegnung mit dem Auferstandenen erwächst.
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Für die Feier der Osternacht sind in der Liturgie so viele Lesungstexte wie an keinem anderen Festtag vorgesehen. Ich denke, es gibt drei Wege, auf denen uns diese Texte an das Geschehen der Auferweckung Jesu, das wir heute feiern, heranführen wollen.
Erstens gibt es den Weg über die Lesungen dem Alten Testament, der Hebräischen Bibel, den Heiligen Schriften Israels. Sie zeigen in immer neuen Anläufen, dass Gott der Schöpfer ist, der aus dem Tod Leben werden lässt, der aus dem Chaos Ordnung schafft, der aus der Gefangenschaft hinausführt und neue Lebensmöglichkeiten schenkt. Ich möchte das in aller Kürze an einem Beispiel deutlich machen. Eine der Lesungen ist dem Buch Baruch (3,9–15 und 3,32–4,4) entnommen. Sie preist zunächst in einer Wiederaufnahme des Schöpfungsgedichtes aus Genesis 1, das wir im Übrigen auch heute hören, Gott als den Schöpfer. Dann folgt ein Loblied auf die von Gott geschenkte Erkenntnis:
Der Karfreitag ist ein Feiertag, der eine große Bürde mit sich trägt. An ihm fand ein christlicher Antijudaismus über Jahrhunderte seinen Haft- und Kulminationspunkt. Dieser hatte nicht zuletzt in den so genannten großen Fürbitten einen Ausdruck. Papst Johannes XXIII. begann 1960 mit der Entfernung antisemitischer Wendungen aus der Karfreitags-liturgie, so war fortan nicht mehr von „judiciam perfidiam“ die Rede, die Juden wurden nicht mehr als „perfidis“ bezeichnet. 1970 wurde dann die Bitte um Bekehrung der Juden zu Christus durch die Bitte ersetzt, dass die Juden „in der Treue zu Seinem [d.h. Gottes] Bund und in der Liebe zu Seinem Namen“ bewahrt werden. Damit wurde endlich auch in der Karfreitagsliturgie deutlich gemacht, dass von christlicher Seite der jüdische Weg zum Heil voll anerkannt ist. Das war ein wichtiger Schritt in der Aufarbeitung eines christlichen Antijudaismus. Seither sind viele weitere Schritte gegangen worden, gab es aber von traditionalistischen Kreisen innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche auch wieder Rückschritte. In der traditionellen lateinischen Liturgie wollten manche Kreise die Fürbitte in ihrer ursprünglichen Form wieder aufnehmen … Damit wird zweifellos eine rote Linie überschritten. Wie traditionalistisch das eigene Liturgieempfinden auch sein mag, einen Weg zurück zur Bitte um Judenmission oder zu judenfeindlichen Äußerungen darf es in keiner Form christlicher Liturgie mehr geben.
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Wer schon einmal an der Liturgie des Gründonnerstags teilgenommen hat, wird wohl übereinstimmen, dass in der Anlage der Feier zwei Gesten im Mittelpunkt stehen – die eine einmalig für das Geschehen des Gottesdienstes, die andere sich in jeder Messe wiederholend: Dies ist zum einen die Fußwaschung, von der uns das Evangelium erzählt (Joh 13,1–15) und die an genau diesem einen Tag bedacht wird, und das ist zum anderen die Eucharistie, von der die zweite Lesung berichtet (1 Kor 11,23–26) und die in jeder Messe gefeiert wird, heute aber besonders ins Zentrum rückt. Die erste Lesung aus dem Buch Exodus (12,1–8.11–14) erinnert daran, dass die für den christlichen Kultus so zentrale Feier der Eucharistie nur von jenem Mahl des Volkes Israel her verständlich wird, das den Auszug aus Ägypten eröffnet hat.
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Palmsonntag und die Frage Wer ist dieser?
Für den Palmsonntag, mit dem die Karwoche beginnt, ist eine Fülle von zum Teil längeren Lesungen vorgesehen, die uns in das Geschehen der kommenden Woche hineinnehmen. Es ist nicht möglich, in diesem Rahmen all diese Texte zu interpretieren; eher müssen wir uns hineinnehmen lassen in ein Geschehen, das in Erzählungen, Riten, Gesten und Gesängen vor uns ausgebreitet wird. Im Folgenden kann ich lediglich ein paar kleine Hinweise geben, wie sich die Texte vielleicht miteinander verknüpfen lassen.
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Heute ist der dritte Sonntag in Folge, an dem wir eine lange Erzählung aus dem Johannesevangelium hören, die sich so nur in diesem Evangelium findet: Da war vor zwei Wochen zunächst die Erzählung von der Begegnung Jesu mit einer samaritanischen Frau an einem Brunner außerhalb des Ortes, die um die Frage kreiste, was lebensspendendes Wasser sei. Da war letzte Woche die Heilung eines Menschen, der blind geboren worden war.
Schriftlesungen zum 5. Sonntag in der Fastenzeit - ganzer Text zum Download
Wie es im Advent mit dem Sonntag „Gaudete“ einen Freudensonntag gibt, so mit dem Sonntag „Laetare“ auch in der Fastenzeit. Der Aufruf zur Freude kommt im Eröffnungsvers vor, der früher am Beginn der Liturgie des vierten Sonntags der Fastenzeit gebetet oder gesungen wurde. Daher hat der Sonntag seinen Namen erhalten:
Freut euch mit Jerusalem! Jubelt in der Stadt, alle, die ihr sie liebt. Seid fröhlich mit ihr, alle, die ihr über sie traurig wart. Saugt euch satt an ihrer tröstenden Brust, trinkt und labt euch an ihrem mütterlichen Reichtum! (Jes 66,10f)
Schriftlesungen Sonntag Laetare - ganzer Text zum Download
In der ersten Lesung des heutigen Sonntags (Ex 17,3–7) hören wir von einem elementaren Ereignis, auf das sich der biblische Text immer wieder beziehen wird. Mose und die Israeliten sind, geführt von Gott, durch die Wüste unterwegs, aufgebrochen aus Ägypten. Der Auszug verlangt dem Volk einiges ab und gerät in Gefahr zu scheitern. Großer Durst plagt die Gruppe auf ihrem Weg. Sie klagt Mose gegenüber: „Wozu hast du uns überhaupt aus Ägypten heraufgeführt, um mich und meine Söhne und mein Vieh vor Durst sterben zu lassen?“
Gedanken zu den Schriftlesungen zum 3. Sonntag in der Fastenzeit - ganzer Text zum Download
Als erste Lesung hören wir heute einen biblischen Grundtext. Man könnte ihn auch als den Beginn der biblischen Geschichte bezeichnen, der nach den Erzählungen über Schöpfung, Sintflut und den Turmbau zu Babel (Gen 1–11) folgt – Erzählungen, die eher den Charakter einer Vor-Geschichte haben, einer Vorgeschichte, die niemals Gegenwart war, niemals aus der Gegenwart in die Vergangenheit gerückt ist, sondern immer schon vergangen war. Sie war zu jeder Zeit schon vergangen, weil sie allgemeine Grundcharakteristika des Lebens der Menschen in der Welt zum Ausdruck bringen.
Gedanken zu den Schriftlesungen zum 2. Sonntag in der Fastenzeit - ganzer Text zum Download
Das Evangelium des ersten Sonntags in der Fastenzeit (Mt 4,1–11) gibt einen möglichen Hinweis, warum die Vorbereitungszeit auf Ostern vierzig Tag dauert: Jesus fastete vor seinem öffentlichen Auftreten vierzig Tage in der Wüste. Das ist freilich selbst ein Zitat: Er geht vierzig Tage dorthin, wo das Volk Israel vierzig Jahre unterwegs war, um seinen Gott, der sich Mose im Dornstrauch offenbart hatte (Ex 3), kennen zu lernen. Es geht also um ein Kennenlernen Gottes an dem Ort, an dem sämtliche Ordnungen ausgesetzt sind. Die Wüste galt als ein Ort des Chaos (vgl. Gen 1,2: „Die Erde war wüst und wirr …“).
Schriftlesungen zum 1. Sonntag in der Fastenzeit - ganzer Text zum Download
Seit dem 2. Sonntag des Jahreskreises, d.h. seit Mitte Jänner, hören wir jeden Sonntag eine Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde von Korinth (1 Kor 3,16–23), wobei die Thematik zwar variiert wird, sich im Kern aber wenig verändert. Mit den Worten der heutigen Lesung könnten wir sie so benennen: „Die Weisheit dieser Welt [dieses Kosmos] ist Torheit bei dem Gott.“(3,19)
Schriftlesungen zum 7. Sonntag im Jahreskreis - ganzer Text zum Download
Drei der vier für den heutigen Sonntag vorgesehenen Lesungstexte haben unmittelbar mit dem Motiv der Gastfreundschaft zu tun, wenngleich sie dieses in sehr unterschiedlichen Kontexten darstellen (Genesis 18,1–10; Psalm 15, Lukasevangelium 10,38–42); die Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus (oder eher eines seiner Schüler) an die Gemeinde von Kolossä (1,14–28) ist eine motivlich davon unterschiedene Stelle mit ganz eigenem Gewicht.
Aber auch die drei Passagen, die von der Gastfreundschaft handeln, haben alle ihr eigenes Gepräge und eigenes Gewicht und wollen in dieser Weise auch ernst genommen werden. Wir können sie nicht einer noch über allen drei Stellen stehenden Ordnung – z.B.: „Gastfreundschaft in der Bibel“ – einreihen, der sie sich fügen müssten, wobei sich dann vermutlich zeigen würde, dass manche Texte dieser Ordnung besser entsprechen, andere weniger. Mittlerweile hat man sich auch davon gelöst, alle Lesungstexte eines Gottesdienstes nur auf das Evangelium hin zu zentrieren und ihnen ihr Eigenrecht dadurch zu nehmen. Wir begegnen also einer pluralen Annäherung an das eine Motiv der Gastfreundschaft.
Blickt man auf die erste Lesung des heutigen Tages, können wir einen wichtigen Aspekt, der christlichem Verständnis nicht unmittelbar einleuchtend ist, lernen: Das Gesetz ist für Israel, das von Gott erwählte Volk, Grund zur Freude und höchste Auszeichnung. Es ist nicht Last oder Einengung, sondern Ehre. Wunderschön kommt das in der Lesung aus dem Buch Deuteronomium (30,9–14) zum Ausdruck.
Die Passage, die wir heute hören, befindet sich am Ende des Buches Deuteronomium, d.h. am Ende der Thora, der fünf Bücher Mose, des von Gott gegebenen Gesetzes. Das Buch Deuteronomium, das ein Ausdruck höchster theologischer Reflexion ist, umspannt den letzten Tag des Lebens Mose. Es kann auch als sein Testament an das Volk Israel, das sich im Rahmen des Auszugs aus Ägypten bildet, angesehen werden. Unmittelbar danach erfolgt der Übergang über den Jordan und beginnt der Einzug ins verheißene Land. Der Lesungstext des heutigen Sonntags befindet sich mithin an einer neuralgischen Stelle: am Ende des Lebens Mose, des größten Propheten, und am Ausgang der Thora – dort, wo sie die Menschen in die Freiheit und Verantwortung der Gestaltung der Gesellschaft entlässt. Genau an diesem Ausgangstor findet sich eine Reflexion über die Würde des Gesetzes, die mit den Worten eingeleitet wird: „Der Herr wird dir Gutes tun.“ (Dtn 30,9). Dies ist das Vorzeichen, unter dem der gesamte folgende Text zu lesen ist:
Schriftlesungen zum 15. Sonntag im Jahreskreis zum Download
Denn du hörst auf die Stimme des HERRN, deines Gottes, und bewahrst seine Gebote und Satzungen, die in dieser Urkunde der Weisung einzeln aufgezeichnet sind, und kehrst zum HERRN, deinem Gott, mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele zurück. (Dtn 30,10)
Paulus nimmt in jener Passage aus seinem Brief an die Gemeinden von Galatien (6,14–18), die wir heute hören, einen zentralen Gedanken des werdenden Christentums auf und spitzt ihn zu: Unter den Menschen, die Jesus nachgefolgt waren, setzte sich die Überzeugung durch, dass das Kreuz, das eigentlich für den Tod steht, durch Gottes Treue zu Christus (und letztlich zur ganzen Schöpfung) in etwas Heilvolles verkehrt wird. Paulus arbeitet dieses Motiv, das im Glauben der Menschen präsent war und in den Evangelien erzählerisch dargestellt wird, nun gedanklich aus. Er erzählt nicht die Geschichte von Tod und Auferstehung Jesu, sondern reflektiert, was sie bedeutet. Das Symbol des Todes wird zu einem heilbringenden Zeichen:
Ich will mich allein des Kreuzes Jesu Christi, unseres Herrn, rühmen, durch das mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt. (Gal 6,14)
Das Evangelium des heutigen Sonntags (Lukasevangelium 9,51–62) verbindet zwei Erzählungen, die nichts miteinander zu tun haben scheinen. Vielleicht können wir jedoch einen Punkt finden, der uns einen Zusammenhang sehen lässt.
Jesus beschließt, nach Jerusalem zu gehen. Einige aus seiner Gruppe – „Boten“, auf Griechisch „angeloi“, d.h. Engel – gehen voran, werden aber mit einer Situation der Ungastlichkeit konfrontiert: In einem nicht näher genannten Dorf wird ihnen die Aufnahme verweigert. Zwei Schüler Jesu, Jakobus und Johannes, haben die Idee, man könne Feuer vom Himmel herabrufen, das die ungastlichen Dorfbewohner vernichten möge. Jesus jedoch wendet sich um und tadelt die beiden Jünger. Sie gehen weiter in ein anderes Dorf. Damit ist klar, dass es aus christlicher Sicht keine Gewaltmaßnahen als Vergeltung geben darf.
Nach dem Pfingstfest wurden der Dreifaltigkeitssonntag und das Fronleichnamsfest gefeiert, was eine Ansammlung ziemlich bedeutender Feste in kurzer Zeit darstellt: Zunächst steht der verbindende Geist des Pfingstfestes im Mittelpunkt, der es ermöglicht, dass Menschen sich über die Grenzen verschiedener Sprachen hinweg verstehen: Hier rückt also das Verstehen ins Zentrum. Am Sonntag darauf wendet sich der Blick in besonderer Weise der Dreifaltigkeit zu, die nun allerdings sehr schwer zu verstehen ist. Es wird jedoch auch danach nicht viel einfacher. Zu Fronleichnam steht im Mittelpunkt, was ohnehin die Mitte jeder Messe ist: Der paradoxe Gedanke, dass Brot und Wein zu Leib und Blut Christi werden, obwohl man an ihnen keine Veränderung sieht. So viele große Feste mit so wichtigen, aber so schwierigen Inhalten, die in diesen zehn Tagen in geballter Weise auf uns eintreffen! Worum kann es da an einem Sonntag im Jahreskreis, wie es der heutige ist, überhaupt noch gehen? Halten wir uns an die Lesungstexte.
Das Fronleichnamsfest ist ein etwas eigenartiges Fest. Es stellt im Rahmen einer Eucharistiefeier in den Mittelpunkt, was eigentlich jede Eucharistiefeier ohnehin ist – eine Mahlfeier mit den Gaben von Brot und Wein, die am Rahmen dieser Feier, folgt man der christlichen Überzeugung, in Leib und Blut Christi verwandelt werden. In diesen Gaben ist Christus selbst in der feiernden Gemeinde präsent. Das feiern wir in jeder Eucharistie. Das feiern wir zu Fronleichnam – freilich mit besonderer Feierlichkeit und viel an Brauchtum.
Man kann sich als glaubender Mensch ganz auf das Fronleichnamsfest einlassen, im Gehen an der Prozession teilnehmen, den Duft der Birken riechen, die meist am Wegrand oder in der Kirche aufgestellt sind, die Prozessionslieder mitsingen und schließlich die Eucharistie in der Gestalt des Brotes schmecken.
Der Sonntag nach Pfingsten wird Dreifaltigkeitssonntag genannt. Von der Dreifaltigkeit heißt es meistens, sie schwer zu begreifen, sie sei schwer vorstellbar. Dabei scheint es Menschen, die dem christlichen Glauben angehören, ähnlich zu gehen wie Menschen, die eine andere oder keine Religion haben. Allenfalls finde man Bilder, die die Trinität verdeutlichen sollten, diese funktionieren dann aber doch wieder nicht und verwirren vielleicht sogar mehr. Mich erstaunt manchmal, dass man bei der Frage, was denn Dreifaltigkeit meine, kaum auf die biblischen Texte zurückgreift.
Die Texte für die Liturgie am Pfingstsonntag sehen zu Beginn die klassische Pfingsterzählung vor, die sich in der Apostelgeschichte findet (Apg 2,1–11). Die Anhänger Jesu, die sich nach seinem Tod, seiner Auferstehung und Himmelfahrt langsam wieder fanden, waren alle an einem Ort zusammen und machen dabei eine Erfahrung der Öffnung. Sie gingen hinaus und begannen in einer Weise zu sprechen, die etwas Verbindendes hatte: Menschen unterschiedlicher Sprachen konnten sie – über die Grenzen der Sprache hinweg – verstehen. Freilich ist auch dieses Geschehen nicht eindeutig, kein klarer Beweise für Gott und kann unterschiedlich interpretiert werden, wie die Reaktionen zeigen. Der Schluss der Stelle, der im Gottesdienst zu Pfingsten meist nicht mehr gelesen wird, lautet: „Alle gerieten außer sich und waren ratlos. Die einen sagten zueinander: Was hat das zu bedeuten? Andere aber spotteten: Sie sind vom süßen Wein betrunken.“ (Apg 2,12f) Dies weist uns auf eine tieferliegende Schwierigkeit: Tatsächlich gibt es weder in den Heiligen Schriften Israels noch in den Schriften des Neuen Testaments eine eindeutige Lehre vom Heiligen Geist und seinem Wirken. Folgen wir darum den liturgischen Texten des heutigen Sonntags und fragen, wie sie uns helfen können, mit der Ratlosigkeit am Ende der geschilderten Szene umzugehen.
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Die Schriftlesungen vom Tag erscheinen seit 2020. Sollten Sie ältere Texte als die oben ersichtlichen benötigen, bitte wenden Sie sich an P. Jakob per Mail. Vielen Dank.
